E-Mobilität: Pandora statt Realität

Ok. Wir wissen noch nicht, wohin uns die Elektromobilität treibt. Die Verkaufszahlen sind noch bescheiden, aber signifikant steigend. Ich werde persönlich nicht mehr Verbrenner fahren, das ist soweit klar. Nicht nur der Treibstoff ist „aussterbend“, sondern auch die Technik. Früher hat man in Kriegen gesprochen. Heute in Wirtschaft: Automobilindustrie wird unser Nokia.

Fast die gesamte heimische Automobilindustrie macht es vor, wie es Nokia vorgemacht hat. Ein Beispiel an Arroganz der Marktführer.

Ich „predige“ schon immer, dass die Gefahr des Wettbewerbs und der Disruption eines Unternehmens nicht in seinem ihnen bekannten Wettbewerb liegt, sondern aus Bereichen kommt, denen man dies nie zugetraut hätte. Siehe auch mein Vortrag vom Digital Future Congress in Essen 2019.

Als Tesla mit dem Model S richtig loslegte, schaute man bei uns noch lachend auf diesen neuen Trend. Hier verweise ich übrigens nochmal auf die großartige Keynote von Lars Thomsen zum Thema der Automobilindustrie. Er trifft den Nagel auf den Kopf; nur seine prognostizierten Zeiträume passen nicht mehr 🙂

Mir persönlich war klar, dass dies nicht der einzige Herausforderer wird. Ich rechnete schon früh mit Apple und Samsung. Erfahrene Elektronikfirmen sind perfekt geeignet und haben mehrfach bewiesen, in fremde Märkte einzudringen.

Jetzt ist es 2020. Ein neues Jahrzehnt. Status:

  1. Die klassische heimsiche Automobilindustrie verkündet weiterhin mutig den Sprung zur Elektromobilität mit riesigen Produktpaletten. In der Praxis sehe ich keine Modelle, sondern nur Anküdigungen oder Hybrid-Modelle mit Pseudo-E-Mobilität. Wer rein elektrisch fährt, lacht darüber. Ich sehe lediglich Volkswagen als ernstzunehmender Angreifer. Der ID von Volkswagen hat aber noch keine Software – aber es werden immerhin konsequent auf einer neuen Plattform Autos gebaut. In eigener neuer Fabrikation. Immerhin.
  2. Andere Anbieter scheinen dies auszumerkeln. Mercedes und BMW sehe ich als Anbieter, das Thema halbherzig anzugehen. Der Mercedes EQC ist kein wirkliches strategisches Produkt. Die Antriebsstränge erzeugt Mercedes z.B. nicht selbst. BMW war seiner Zeit mit dem i3 weit voraus. BMW stellte die Serie scheinbar ohne verfügbare Alternative ein. Mittlerweise wird es wohl wieder aufgewärmt.
  3. Anbieter wie Tesla und Hyundai erzielen Verkaufsrekorde in dem Segment.
  4. Neue Autoinnovationen werden nicht mehr auf der Automobilmesse IFA vorgestellt, sondern auf Events, die eigentlich nichts damit zu tun haben. So kündigte Sony sein eigenes Elektroauto auf der neusten CES in Las Vegas an. Ebenso weitere neue Herausforderer, wie Byton und Fisker.
  5. Apple hat immer noch kein Auto gebaut 🙂

Die Welt ändert sich rasant. Eher für mich erschreckend ist es, dass Mercedes hier einen space-igen Prototypen vorstellt, den Vision Avtr. Alles andere als Straßentauglich. Ich frage mich dabei, ob der Konzern hier wirklich die Situation richtig verstanden hat. Elon Musk muss sich vor Lachen weggeschmissen haben. Während die neuen Wettbewerber straßentaugliche(!) Fahrzeuge präsentieren, wird hier die Fantasiekeule rausgeholt. Wo sind denn bitte die Bemühungen eines straßentauglichen und bezahlbaren Mercedes, Mittelklasse. Und das in einer eigenen Fabrikation? Und das gilt für viele Hersteller.

Ich kann verstehen, dass die Verkaufszahlen der E-Fahrzeuge noch nicht den großen Stellenwert haben, wie sich die Hersteller das wünschen. Wenige Tausende gegen Millionen Verbrenner.

Es ist nun mal die Elektromobilität, die kommt. Sie wird massentauglich. Sie ist da und geht auch nicht mehr weg. Ich bin überzeugt. Und es ist alles noch nicht perfekt – das war der erste Benz auch nicht. Geringe Reichweite, Laut, beendete das Business der Hufschmiede und Pferdehalter, etc.

Und kommt mir nicht mit Wasserstoff. Durch irgendeine Lobby wird das mittlerweile schon abgehangene Wasserstroff-Thema wieder nach vorne gebracht. Ich bitte euch … Das ist wie Beta-VHS …

Und jetzt gilt es, die heimische Ingenieurskunst und Wissenschaft mit aller finanzieller und personeller Macht zu motivieren, diese Herausforderung zu meistern. Und gestärkt aus dieser Situation als Industrienation hervorzugehen. Was erwarte ich von Europa und Deutschland:

  1. Entwickelt hochleistungsfähige, schnellladefähige und leichte(!) Batteriesysteme mit Verzicht auf seltene Erden.
  2. Baut ein leistungsstarkes Ladenetz auf. 11kw – 22kw … da will NIEMAND laden. Ohne flächendeckende Schnelllader wird nix gehen, in Kombination mit 1.
  3. Entwickelt in Deutschland eine nachhaltiges, erneuerbare und CO2 neutrale Energiegewinnung.
  4. Es kann nicht sein, dass eine alternative Stromgewinnung zum Wohle des Planeten und unseres Landes an wenigen blockierenden Landeigentümern (Stromtrasse) und merkwürdigen Gesetzen (Abstand Windkraftanlage) scheitert.
  5. Entwickelt Speichersysteme, um Überproduktion von Strom zu sichern.
  6. Investiert in neue Energiesysteme, z.B. Fusionsreaktoren oder Stromerzeugung durch Dunkelheit.

Es bedarf nicht mehr viel: Wenn die Elektroautos so schnell laden, wie ein Verbrenner und auch dessen Reichweite übertreffen, dann haben wir gewonnen, wenn diese Technologie aus Europa oder bestenfalls aus unserem Land kommt.

 

Foto von bild.de

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