#StandUpWithukraine

25.02.2022, 4 Uhr Nachts. Ich liege wach. Meine zweijährige Tochter liegt neben mir. Wir haben sie rüber geholt, weil sie nicht gut schlafen konnte. Jetzt liegt sie, angekuschelt an mich. Mit dem Vertrauen an ihre Mama und ihren Papa neben sich, höre ich das leise ruhige Schnurcheln aus ihrem Mund. Ihre noch kindlichen Träume spüre ich durch ihre zuckenden Händchen. Ganz leicht, aber merklich. In vier Stunden werde ich zur Arbeit fahren. Wie jeden Tag. Wir haben die ganz alltäglichen Herausforderungen, wie jede Familie. Kinder in ihren Phasen, die oft anspruchsvoll sind. Wie gerade. Und ebenso haben wir jetzt zwei Jahre Pandemie hinter uns. Mit all unseren sogenannten „Entbehrlichkeiten“ in unserer bequemen und eigentlich sorgenfreien Welt, die wir in Deutschland schon über 70 Jahre haben. Oftmals zwei Generationen ohne Krieg in Europa. Ich denke aber über meine Firma nach. Die ganzen Aufgaben und Sorgen, die mich beschäftigen. Der Druck, es jedem Recht zu machen.

Ich lenke mich ab. Ich surfe auf Instagram.

Niedliche Katzenvideos, tolle Urlaubslocations, Hippster, Influencer … und auf einmal sehe ich ihn.

Da ist das Video von dem unbekannten Papa. Er steht in der Ukraine vor einem Zug. Er selbst wird jetzt eingezogen; 90 Tage „Einberufung“, obwohl Russland bereits schnell voran kommt. Die Lufthoheit liegt bereits bei Russland. Wie will sich ein Land überhaupt noch verteidigen? Das riecht nach „Kanonenfutter“.

Wie blind können die intelligentesten Menschen der Welt sein, dass sie eine so derartige Kriegsvorbereitung ignorieren und noch an das „Gute“ glauben? All die Verhandlungen der Staatenlenker zu Bedingungen, die sowieso total illusorisch waren und nur Zeit für die Angriffsvorbereitungen und die Überbrückung des schlechten Wetters ermöglich haben. Das kennen wir doch schon aus den letzten Jahrzehnten von allen Despoten. All die offensichtlichen Lügen. Lernen wir nichts dazu?

Der unbekannte Papa steht vor dem Zug. Er weint hemmungslos. Wie seine Tochter und seine Frau, die vor ihm stehen. Sie werden in sichere Regionen evakuiert. Er bleibt zurück. Alle wissen, was kommen kann. Er nimmt die Mütze seiner Tochter vom Kopf, streichelt ihr durchs Haar; riecht an ihrem Haar. Er versucht verzweifelt alles aufzunehmen, zu greifen, zu riechen, was irgendwie geht. Pure Verzweiflung. Es sieht so endgültig aus. Es ist eine menschlich grausame Szene. Das ist nicht Hollywood. Das ist die Realität.

Ich schlucke. Ich sehe ähnlich grausame Bilder vor meinem Auge. Ich sehe die Eltern, die im dunkelsten Kapitel unseres Landes, von ihren Kindern in Konzentrationslagern und bei Deportationen getrennt werden. Sie wissen die Endgültigkeit. Mütter, die ihren Kindern sagen, dass sie keine Angst haben sollen, alles würde gut werden und anschließend in die Gaskammern wandern oder in die Gruben der Massenerschießungen. Das war „damals“. Das ist keine vergleichbare Situation zum dem Papa – es geht um diese tiefgreifenden Ängste. Die Verzweiflung.

Ich sehe das Bild von Aylan Kurdi, drei Jahre alt, vor mir, der Tot am Strand des Mittelmeeres liegt. Vor nicht langer Zeit. Ausgelöst durch den Exodus abertausender Menschen durch Krieg und Zerstörung. Syrien. Libyen. Die Menschen in diesen Ländern wollten Freiheit und das wegbrechende totalitäre System hinterließ einen Stellvertreterkrieg. Der „Westen“ hat sie fallen lassen.

Seit dem ich Kinder habe, sehe ich die Welt, auch emotional, in ganz anderen Augen. Ich kann und will mir nicht im entferntesten ausmalen, was die Eltern und Kinder fühlen müssen. Nichts kann grausamer sein! Es erschüttert mich und bedrückt mich sehr stark. Ich würde so gerne die Augen davor verschließen, aber das ist nicht fair. Insbesondere nicht in unserer Welt, wo wie glauben so viele Sorgen zu haben – DIESE Menschen haben Sorgen. Sie haben Angst. Sie geben alles auf.

Habt ihr noch in Erinnerung, wie es Anfang 2020 war? Corona? Lock-Down? Fühlte es sich bei euch auch so an, als wäre dies surreal? Ein schlechter Traum? Als würde man schweben, weil man es nicht fassen kann. Dieser epische Einbruch in der Welt um uns herum? Pandemie. Epedemie. Und jetzt? Hier geht es nicht um eine Krankheit. Hier geht es um – Krieg!

Die Ukraine ist von Deutschland aus 620 Kilometer entfernt.

Das sind wenige Autostunden!

Dort schlagen gerade Bomben ein. Die Menschen gehen in U-Bahnen und Keller. Viele werden zur Mobilmachung an die Waffen gerufen. Viele sind schon gestorben. Väter, so wie ich. Und viele werden folgen. Auf beiden Seiten.

Ist das 2022? Ist das unsere Zeit? Eine Zeit, wo tatsächlich noch Despoten sich ihre Welt so zusammensetzen, wie es ihnen gefällt? Das alte bewährte Totalitärhandbuch rausgeholt: Kontrolle der Presse und Medien, Kontrolle der Opposition, Angriffs- und Stellvertreterkriege, basierend auf offensichtlichen Lügen. Weltmachtstreben, Machterhalt. Und wir haben davon noch viele Staatenlenker und Systeme auf dieser Welt, die so denken. Das soll unsere „zivilisierte Welt“ sein?

Und wir tragen auch eine gewaltige Mitschuld. Wir haben es uns so gemütlich gemacht, weil dies alles so entfernt schien. Wir haben uns alle abhängig gemacht. Als Staat und Wirtschaft. Wir schwächen uns selbst, in dem wir von Waren und Dienstleistungen dieser Länder abhängig sind. Und wir schwächen uns durch fehlende Einigkeit in der Weltengemeinschaft. Mehr als eine „Du Du Du“ als Absichtserklärungen in der UN etc bekommen wir doch gar nicht mehr hin. „Veto“ durch genau eben dieser totalitären Länder sind das Zauberwort. Wir sind keine Gemeinschaft mehr. Wir haben keinen Effekt. Wir setzen dem auch nichts mehr entgegen, weil niemand mehr davon ausgegangen ist, das sowas, wie in der Ukraine, in der heutigen Zeit noch möglich ist. Doch, ist es. Und wir sollten nicht ernsthaft glauben, das andere totalitäre Systeme nicht ähnliche Bestrebungen haben. Im Gegenteil – die aktuelle Situation bestärkt andere Länder, diesem Beispiel zu folgen, weil es keine Folgen hat. Jeder der Kinder hat, kennt diesen Effekt in der Erziehung.

Ich hoffe inständig, dass sich alle diese totalitären Systeme sich ebenfalls so abhängig gemacht haben, dass das einzige Schwert, was wir ernsthaft noch haben, nämlich die Abschottung der Länder von der globalen Wirtschaft, funktioniert und ein Exempel statuiert wird.

Meine Muskeln sind angespannt. Mich durchflutet ein Gefühl der Angst, Trauer, Hoffnungslosigkeit und auch der Wut. Aus tiefer Angst entspringt auch Wut.

Was kann ich machen? Erstmal – nichts. Es liegt nicht in unserer Hand.

Ich drehe mich in meinem warmen Bett unter meiner Decke zu meiner süßen Tochter. Ich kuschel mich an sie und schaue in ihr ruhiges schlafendes Gesicht. Und gehe gleich zur Arbeit. Als wäre nichts.

620 Kilometer von Deutschland entfernt herrscht ein sinnloser Krieg.

Väter trennen sich gerade von ihren Familien. Mütter und Kinder weinen. Sie gehen nicht zur Arbeit. Sie fliehen und haben jeglichen Bodenhalt zum Leben verloren. Das einzige, was ich tun kann, ist, mich mit den Menschen solidarisch zu zeigen. Mir geht es nicht um das Staatsystem an sich, was durchaus diskutable Lücken aufweist. Es geht um die Väter, Mütter und vor allem die Kinder.

#StandWithUkraine

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