Also, zweite Fimengründung 2011. Jetzt, 2019, ein kleines Zwischenfazit, ob ich heute die Art der Umsetzung meiner Idee, meiner Vision, anders machen würde. Ein klares – Ja.
Warum habe ich überhaupt gegründet? Ich habe als Angestellter im öffentlichen Dienst massiv unter dem Dateichaos gelitten. Netzlaufwerke sind einfach völlig unproduktiv. Die Nachkriegsgeneration hätte gesagt: „Wir hatten ja nix anderes“. Kein Finden, keine Struktur – grauvoll. Dann die Papierberge, Informationssilos und die tollen Umlaufgittermappen aus Pappe, die temporär auf meinem Tisch landeten und dann im Nirvana verschwanden – nicht ohne eine Kopie „zur Sicherheit“ für den Aktenschrank zu machen. Dazu noch zum Hundersten Male die Daten von den gleichen Papierdokumenten abtippen. Was für ein Wahnsinn. Also gründete ich 2003 meine erste Firma und mit den Erkenntnissen (Fails) meine zweite Firma 2010, zuerst als Einzelfirma.
Warum schreibe ich das. Weil ich eine Idee hatte. Nennen wir es mal hochtrabend, eine Vision. Ich hatte mir den Wettbewerbsmarkt angesehen und festgestellt, dass die Produkte hier klar in einer Sackgasse steckten (und immer noch stecken). Aufwendige Modulmonster mit notwendigem Spezialwissen für wenige Spezialisten. Grauenvoll in der Bedienung.
Wenn wir in einer modernen Zeit schon eine Software entwickeln, dann sollte die sich an den Maßstäben eines einfachen Verbrauchers richten. Optisch wunderschön, hochautomatisiert und für jeden Anwender zugänglich.
Nur wenn der Anwender mit einem neuen Produkt ganz klar seine persönlichen Mehrwerte entdeckt, wird er die Lösung akzeptieren. Sonst wird es scheitern.
Und die Anwender sind heute App-getrieben erbarmungslos. Ist die App Mist, wird diese deinstalliert. Und so geht man auch an die Unternehmensanwendungen ran.
Die Vision als Gründungsidee – groß und umfangreich
Ich hatte zur Gründung eine umfassende Idee im Kopf. Keine Module, alles eine Guss. Alle Funktionen enthalten, zusammen mit einem wunderschönen Bedienerlebnis. Man muss dazu wissen, dass die Wettbewerber seit über 30 Jahren am Markt mit teilweise über 300 Mitarbeitern eine solche Software auf dem Markt platziert haben. Und da komm ich, ohne großes Gründerkapital, und glaube, das mal eben besser zu können. Schon klar. Gründer sind mutig … wobei wir mit den Mitteln schon sehr erfolgreich sind.
Meine Idee sah den großen komplexen Funktionsumfang vor, den der Wettbewerb auch hat. Nur cooler, einfacher, hipper.
Ebenso war mein Ziel, dass meine Idee nicht nur eine einfache kleine Fachabteilungslösung wird, z.B. Rechnungswesen, sondern dann auch gleich mal das ganze Unternehmen glücklich macht. Nur so empfand ich Sinn darin. Also legte ich los, anfänglich mit einem kleinen Team, heute natürlich größer.
Wo kommt denn jetzt das Problem?
Ich war davon überzeugt, das meine Idee auch die ideale Lösung für den Kunden ist. Ist das ein Ego-Thema? Ich weiß es nicht. Ich denke, ein bischen schon. Aber damit geht es mir nicht anders, als andere Visionäre oder Gründer. Man denkt, dass seine Idee genau das ist, was die Kunden haben wollen. Und tolle Marketingpräsentationen bestätigen das auch noch …
Und damit treibt man seine Idee voran. In meinem Fall bauen wir eine hochkomplexe Software auf. Das Rad dreht sich mit den fehlenden Ressourcen immer langsamer, aber wir kommen voran. Die Software hat bereits gute Dimensionen angenommen. Die Baustellen werden mit Zunahme der Kunden immer größer, da die Wünsche wachsen. Diese Wünsche kollidieren mehr und mehr mit den eigenen Ideen und der Zielvision.
Ich weiß, andere sind da bereits schon längst schlauer als ich. Aber ich lese zur Firmengründung nicht drei Millionen Bücher … man legt los. Und jetzt ist es auch Zeit, sich mal kurz an die Seite zu stellen und zu schauen, wo man mit seiner Idee steht.
Ich muss heute feststellen, dass das Durchdrücken seiner Idee nicht den gewünschten erfolgreichen Effekt hat. Das Produkt, was man geschaffen hat, ist nicht die perfekte Lösung, die der Kunde sich jetzt als Lösung wünscht. Wir haben ein großartiges Produkt geschaffen, auf das wir stolz sein können. Aber erfüllt es wirklich den Zweck, den sich die Kunden gerade jetzt wünschen? Für mich muss ich feststellen – bedingt. Wir haben viel zu viel umgesetzt, aber zu wenig Fokus auf „jetzt“ gesetzt.
Und bevor jetzt ein Wettbewerber meine Zeilen nimmt und sagt: „Der Büscher glaubt selbst an sein eigenes Produkt nicht!“, der irrt. Wir lösen die Probleme so, wie ich es mir gedacht habe, aber nicht so, wie wir es eigentlich jetzt lösen müssten. Wir haben viele Jahre Ressourcen in Themen des Produktes gesteckt, die schlicht kaum genutzt werden. Der langfristigen Vision zu liebe.
Jetzt haben wir ein Produkt, in welches wir nicht nur hohen Aufwand in die Vision stecken, sondern vor allem seit Jahren Aufwand in den unproduktiven Teil tätigen, der an der Stelle der wirklich sinnstiftenden verbessernden Komponenten der Kunden besser aufgehoben wären.
Learnings!
Man sollte niemals ein Hochhaus planen, wenn für den Zweck zwei Etagen ausgereicht hätten. Die zwei Etagen sind schneller fertig, sind billiger, können aber viel innovativer sein, als das Hochhaus.
Zurück auf Anfang. Mit dem heutigen Wissen würde ich vieles anders machen. Und der relevanteste Kern daraus würde auf Design Thinking bestehen. Ich hatte die Ehre, an der Stanford University Larry Leifer kennenzulernen und mich mit ihm über das Thema Design Thinking zu unterhalten. Er hat dazu auch ein großartiges Buch geschrieben.
Dabei steht das Zuhören und Entwickeln von Lösungen direkt beim Kunden im Zentrum. Ich habe permanent meine Vision mit den Gesprächen mit den Kunden abgeglichen. Das hielt ich für Richtig, ist es aber nicht. Dadurch ist nur ein Produkt entstanden, was sich den jetztigen Bedürfnissen nähert, aber nicht fundamental und revolutionär verbessert.
Heute sind wir im Alltag mit unserem umfangreichen Produkt beschäftigt. Nach vielen Gesprächen mit Kunden und auch meinen Kollegen, die mir von unseren Projekten berichten, würde ich vermutlich 80% unserer Software nicht mehr entwickeln, weil diese Themen dem Kunden aktuell nicht helfen. Ich müsste sogar überlegen, die 80% einzustampfen, damit wir mehr Zeit für die innovative Lösung der jetzigen Bedürfnisse haben.
Es macht so viel mehr Sinn, sich zur Gründung zu den potentiellen Kunden zu bewegen und sich so viel wie möglich anzuschauen. Zu sprechen. Zu erleben, was sie sich als Effekt wünschen. Am Ende kommt eine Essenz raus, auf den man sich mit aller Innovationskraft und Ideen konzentrieren kann. Und nicht die Vorabentwicklung eines gigantischen Produktes, was einen lähmt und auf die nächsten Jahren von den Kunden auch gar nicht verwendet wird. Und was ist überhaupt in den nächsten Jahren?
Schaut euch an, wie moderne Startups konzeptioniert sind: Genau so. Sie lösen perfekt ein extrem nerviges Problem, erlauben es aber gleichzeitig, sich mit anderen Lösungen über Schnittstellen harmonisch zu verbinden.
Ein Produkt mit aller Kraft mit allen Komponenten aufzubauen, die irgendwann in der Zukunft sinnvoll und toll erscheinen, ist die falsche Konzentration der so wichtigen Gründungsenergie und des Gründungskapitals.
Die Kernidee muss gnadenlos überzeugend und so wertschöpfend für die Kunden sein, dass es jeden vom Stuhl fegt. Und das auf einer skalierbaren Plattform. Es ist nicht schlimm, wenn dann 90% an Ideen für die Zukunft in der Schublade landen. Wir entwickeln nicht für unser Ego, wir entwickeln eine Lösung für unsere Kunden.
Wobei es nicht für mich heißen würde, alles 1:1 einzubauen, was der Kunde sagt. Wenn wir so vorgehen würden, dann hätten wir keinen Fortschritt, denn die Gabe eines guten Softwaredesignteams liegt darin, einige Schritte darüber hinaus zu gehen. Wie kann etwas noch schöner, noch automatisierter, noch einfacher werden. Ein innovatives Unternehmen zeichnet sich aus, den einen relevanten Schritt mehr zu machen. Denkt dabei an das Touchdisplay vom iPhone. Wäre dies nicht gewesen, wäre es nicht der Durchbruch geworden, sondern ein Mobile Phone wie jedes andere auch.
Ich werde mir persönlich sehr viel mehr Mühe geben, den Kunden zuzuhören, was sie erwarten und sich wünschen. Dort rein gilt es die Energie zu stecken. Und andere Zöpfe notfalls abzuschneiden, die schon längst zu lang gewachsen sind.